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Bundeshaushalt: Rede von Hermann Gröhe

Als stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für Arbeit und Soziales hat Hermann Gröhe heute zum Haushalt für das Bundesministerium für Arbeit und Soziales gesprochen.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! In der Krise zeigt sich der Charakter. Das gilt für den Einzelnen, zum Guten wie zum Schlechten; das kennen wir. Das gilt auch für einzelne Fraktionen, wenn ich an das spalterisch-hetzerische Reden auf der äußeren Rechten denke.

Wer bei staatlicher Unterstützung zunächst nach dem Abstammungsnachweis fragt - der völkische Versorger ist das Gegenteil von einem menschengerechten Sozialstaat -, der hat von Menschenwürde und Sozialstaatlichkeit nichts verstanden.

Krise zeigt Charakter - das gilt auch für unser Gemeinwesen, für unseren Staat als Ganzes. Darin zeigt sich: Unser Land ist geprägt durch eine solidarische Gesellschaft und einen starken Sozialstaat. Darauf sind wir stolz, meine Damen, meine Herren.

Ich erwähne bewusst die solidarische Gesellschaft zuerst; denn es geht nicht nur um die Milliarden - so wichtig sie sind -, zusammengetragen von den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern, über die wir heute hier entscheiden. Es geht um die Haltung der Menschen in diesem Land. Es geht um diejenigen, die in ihrer täglichen Arbeit für andere Menschen diesen Sozialstaat erst mit Leben füllen, und die in diesen Monaten oft an, ja über die Grenzen der eigenen Belastbarkeit hinausgehen. Es geht aber auch um die Achtsamkeit, um die gelebte Nachbarschaft - es geht um all das, was Menschen in diesen Monaten füreinander getan haben. Das ist die Grundlage für unseren Sozialstaat.

Und gleichzeitig zeigt sich in diesen Monaten noch etwas, das uns von besonderer Wichtigkeit erscheint: Wirtschaftliche Vernunft, wirtschaftliche Stärke und soziale Verantwortung gehören zwingend zusammen. Deswegen stärken wir jetzt Unternehmen den Rücken, die in Not sind, und deswegen haben wir auch einen Schutzschirm für die Sozialstaatsinstitutionen aufgespannt, weil wir den Sozialstaat in der Krise, aber auch nach der Krise brauchen.

Natürlich steht im Mittelpunkt die Frage: Wie erhalten wir Arbeit? Wie stellen wir sicher, dass Menschen über die Angst um die eigene Gesundheit und die Gesundheit ihrer Lieben nicht auch noch Angst um den Job oder die eigene Firma haben? Da ist das zentrale Instrument die Kurzarbeit. Und auch in diesem Instrument zeigt sich wie durch ein Brennglas, dass wirtschaftliche Vernunft und soziale Verantwortung zusammengehören; denn das ist wichtig für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Gerade noch hat das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung darauf hingewiesen, dass das Kurzarbeitergeld und die Verbesserungen für Alleinerziehende bei Kinderbonus und Kinderzuschlag wesentlich dabei helfen, Einkommensverluste abzufedern.

Das Kurzarbeitergeld ist aber auch wichtig für die Wirtschaft. Wir haben es im Sommer in den Fabriken und in vielen Einrichtungen gesehen, als wieder gearbeitet werden konnte. Da waren die Beschäftigten wieder schnell an Deck, und deswegen ist das so wichtig. Kurzarbeit ist ein Instrument für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und für die Wirtschaft. Dass wir im Frühjahr beherzt dazu greifen und die Maßnahmen erleichtern konnten, lag auch an den prall gefüllten Kassen der Bundesagentur für Arbeit. Es war richtig, dass wir diesen Schritt gewagt haben; denn wir konnten ihn uns leisten als Resultat einer erfolgreichen Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt.

Jetzt schaffen wir in diesem Haushalt mit der Darlehensübernahme und einem erneuten Zuschuss volle Handlungsfähigkeit für die Bundesagentur für Arbeit.

Es ist nicht überzeugend, dass Sie auf der liberalen Seite den Staat gerne erst aushungern und dann sagen, er tut nicht genug.

Das ist nicht überzeugend.

Der Sozialstaat ist eben als kluger Sozialstaat nicht nur - wiewohl er etwas kostet - Belastung für die Wirtschaft, sondern er ist Voraussetzung für erfolgreiches wirtschaftliches Handeln. Wer umgekehrt einem unbezahlbaren „Wünsch dir was“ huldigt und das für Sozialpolitik hält, wird nachhaltiger Solidarität ebenfalls nicht gerecht.

Ich halte es für wichtig, dass wir in dieser Krise an die Zeit nach der Krise denken. Schon vor Corona herrschte in vielen Regionen Fachkräftemangel. Nach der Coronakrise ist wieder Fachkräftemangel das Hauptthema. Deswegen bin ich mit dem Kollegen Fischer der Meinung: „Bildet jetzt aus!“ - trotz Krise. Dies ist eine der wichtigsten Ansagen an die Wirtschaft. Deswegen Ausbildungsprämie und andere Unterstützungsleistungen: der jungen Generation zuliebe, aber auch, damit unsere Wirtschaft gut aus der Krise kommt.

Deswegen ist es so wichtig, dass die Wirtschaftshilfen nicht nur Vorhandenes stärken, sondern von künstlicher Intelligenz bis zur Wasserstoffstrategie Zukünftiges in den Blick nehmen. Wir wollen in der Tat Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dabei mitnehmen. Deswegen ist es gut, dass wir die verschiedenen Instrumente der Weiterbildung stärken, mit Kurzarbeit verbinden. Deswegen ist es auch gut, beispielsweise im Rahmen der Zusagen beim Autogipfel, auch in regionalen Weiterbildungsverbünden vor Ort, gerade auch kleinen und mittelständischen Zuliefererbetrieben zu helfen, sich auf diese neue Arbeitswelt vorzubereiten. Vor Ort weiß man am besten, was der Arbeitsmarkt braucht.

Weil vor Ort zu entscheiden ist, ist dieser Etat - auch dieser Sozialetat - eben auch ein Etat der kommunalen Entlastung. Wenn der Bundesanteil bei den Hilfen in der Grundsicherung im Hinblick auf Kosten der Unterkunft und der Heizung um 25 Prozentpunkte auf durchschnittlich 74 Prozent steigt, dann bedeutet das Jahr für Jahr 3,5 Milliarden Euro mehr für die Kommunen. Mit anderen Maßnahmen der letzten Jahre sind das zukünftig jedes Jahr weit mehr als 10 Milliarden Euro, die einen handlungsfähigen Staat genau dort ermöglichen, wo ihn die Bürgerinnen und Bürger erleben: in ihrer Kommune, vor Ort. Deswegen ist auch das eine gute Nachricht für ein handlungsfähiges Gemeinwesen.

Meine Damen, meine Herren, wir haben über Milliarden geredet. Ich bin auch dankbar für Millionenbeträge, mit denen wir Wichtiges tun. Ich will ausdrücklich danken dafür, dass eine Verständigung erzielt werden konnte im Hinblick auf die Krebsberatungsstellen. Dort wird gerade angesichts des erfreulichen Umstands von Langzeitüberlebenden schwerer Krebserkrankungen wichtige Arbeit in der Begleitung dieser Menschen, auch im Sozialen, geleistet. Gut, dass wir diese Arbeit auf sichere Füße stellen. Auch das zeigt: Dieser Haushalt sichert in guter Weise einen starken, einen leistungsfähigen Sozialstaat.

Vielen Dank.